Präambel

IHO-Desinfektionsmittelliste Präambel

 

Sehr geehrte Anwenderinnen und Anwender von Desinfektionsmitteln,

herzlich willkommen auf der Online Plattform „IHO-Desinfektionsmittelliste“. Diese komplett überarbeitete Version ersetzt alle früheren seit 2008 publizierten IHO Viruzidie- und Desinfektionsmittellisten, mit dem Anspruch, Ihnen Antworten zur Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln und -Verfahren in allen Bereichen zu geben. Dies betrifft die professionellen Anwendungsbereiche Gesundheitswesen, Lebensmittelherstellung, Tierhaltung und Wäschedesinfektion sowie den allgemeinen Hygienebereich.

Die Desinfektionsmittelliste ist für Sie als Anwender kostenfrei zugänglich.

 

Eine neue IHO Desinfektionsmittelliste - warum war dies notwendig?

Rückblick

Blicken wir 25 Jahre zurück. Zahlreiche, unterschiedliche Methoden, etabliert durch eine Vielzahl nationaler Fachgesellschaften, waren die Realität. Mit der Folge, dass Produkte, die z.B. für wirksam in Frankreich befunden wurden, nicht als wirksam in Deutschland oder Österreich galten. Ebenso konnten sich Produkte, geprüft nach deutschen Wirksamkeitskriterien als unwirksam nach polnischen Wirksamkeitskriterien erweisen. Was ist nun richtig oder besser, wer hat Recht? Alle und niemand.

Das sich daraus ergebene Problem lässt sich beispielhaft illustrieren: Stellen wir uns vor, ein europäischer Hersteller von Käse mit Produktionsstätten in Italien, Deutschland, den Niederlanden und Frankreich müsste in jedem Land eigene national festgelegte Hygieneverfahren etablieren. Man kann sich fragen – welchen Käse würden Sie allein aus Gründen der Hygiene bevorzugen – den Mozzarella, den Allgäuer Bergkäse, den Gouda oder den Camembert? Die Antwort – verblüffend einfach: sie alle sind hygienisch (und erst recht kulinarisch) gut, wenn es ein Standard-Verfahren gibt, welches an allen Orten zu gleichen Ergebnissen führt und der Hersteller sein Handwerk beherrscht.

Die europäische Harmonisierung der Normen zur Desinfektionsmittelprüfung hat genau das gemacht – einheitliche Standards gesetzt, mit aktiver Beteiligung der nationalen Fachgesellschaften. Die heute gebräuchlichen europäischen Standardmethoden basieren auf dem Wissen und Erfahrungen solch renommierter Organisationen wie DGHM, ÖGHMP, RKI, VAH, AFNOR, DVG, DVV etc., aber auch Fachexperten aus der Industrie sowie Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen. Die Prüfmethoden unterliegen einer stetigen Verbesserung und Aktualisierung an den aktuellen Stand der Wissenschaft.

 

Europäische Gesetze und Regularien fragen nicht mehr nach nationalen Besonderheiten

Die Europäische Union mit ihren Mitgliedstaaten verabschiedet Gesetze und Regulierungen ohne Rücksichtnahme auf länderspezifische Besonderheiten und diese müssen in den einzelnen EU-Ländern mit einem strikten Terminplan umgesetzt werden.

Europäische Richtlinien und Verordnungen betreffen Hersteller und Anwender von Desinfektionsmitteln in gleichem Maße. Produkte zur Desinfektion sind in vielen Bereichen Biozidprodukte und unterliegen der Verordnung (EU) Nr. 528/2012. Die Aufbereitung von Medizinprodukten - ein Spezialgebiet im Gesundheitswesen – erfolgt mit Desinfektionsmitteln (Instrumente und Flächen), die der Medizinprodukte Verordnung (EU) 2017/745 unterliegen. Beide Verordnungen haben gemeinsam, dass sie ein verbindlicher Rechtsakt sind, den alle EU-Länder in vollem Umfang umsetzen müssen.

Die Wirksamkeitsnachweise für Biozidprodukte basieren grundsätzlich auf den gültigen europäischen harmonisierten Normen. Die Nachweise sind Bestandteil der Produkt-Zulassungsunterlagen (Biozidprodukt-Dossier), welche jeder Hersteller bei der Europäischen Chemikalien Agentur (ECHA), bzw. bei einer entsprechenden nationalen Behörde einreicht. Die Prüfung der Zulassungsunterlagen findet in den EU-Mitgliedsländer statt, die in jedem Land gleiche Voraussetzungen für die Verkehrsfähigkeit schaffen müssen. In Europa unterliegen Händedesinfektionsmittel der Biozidprodukte-Gesetzgebung und sind daher als Biozidprodukte verkehrsfähig. In Deutschland haben wir jedoch die besondere Situation, dass Händedesinfektionsmittel aus historischen Gründen auch als Arzneimittel zugelassen sein können.

Für Desinfektionsmittel, die unter die europäische Medizinprodukte-Gesetzgebung (z.B. für die Instrumentendesinfektion) fallen, sind ebenfalls Wirksamkeitsnachweise auf der Basis der harmonisierten europäischen Normen anzuwenden. Dadurch wird die Verkehrsfähigkeit konformer und sicherer Medizinprodukte im gesamten europäischen Wirtschaftsraum sichergestellt. Die Konformität der Medizinprodukte mit den gesetzlichen Anforderungen wird regelmäßig durch die benannten Stellen, die Notified Bodies, überprüft und mit der Vergabe des CE-Zeichens bestätigt.

Es gibt wenige Bereiche, bei denen die europäische Harmonisierung noch nicht so weit vorangeschritten ist. Dies ist zum Beispiel im Veterinärbereich bei der Bestimmung der Wirksamkeit gegenüber Viren im Keimträgertest (praxisnahe Versuche der Phase 2/Stufe 2) oder gegenüber Parasiten der Fall. Hier ist die Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG) Vorreiter. Mangels derzeit fehlender Europäischer Prüfmethoden, z. B. der Viruzidieprüfung im Keimträgertest und den Parasiten, wird auf die Verwendung der DVG Methoden verwiesen.

 

Was bietet Ihnen die neue IHO-Desinfektionsmittelliste?

Die neue IHO-Desinfektionsmittelliste bietet eine transparente Übersicht zu Wirksamkeiten von Desinfektionsmitteln – gleich ob Biozidprodukte, Medizinprodukte oder Arzneimittel – alles an einem Ort. Sie fragen sich zum Beispiel: Gibt es ein Produkt zur Flächendesinfektion, welches wirksam gegen Noroviren aber gleichzeitig auch tuberkulozid und aktiv gegen Clostridium difficile ist? Kann das Desinfektionsmittel sowohl im Krankenhaus als auch in der Küche einsetzt werden und welche Anwendungskonzentrationen und Einwirkzeiten sind jeweils erforderlich? Die neue IHO-Desinfektionsmittelliste beantwortet es Ihnen. Statt in mehreren Listen zu suchen, ist das Wissen nun umfassend, jederzeit und schnell verfügbar in der IHO Desinfektionsmittelliste zu finden.

Die neue IHO-Desinfektionsmittelliste bietet eine umfassendere Übersicht über folgende erweiterte Anwendungsbereiche:

  • Händedesinfektion
  • Flächendesinfektion (mit und ohne Mechanik)
  • Instrumentendesinfektion (maschinelle und manuelle Aufbereitung)
  • Wäschedesinfektion
  • Lebensmittelhygiene, öffentlicher und industrieller Bereich
  • Tierhygiene (Fläche und Zitzendesinfektion)

Sie als Anwender haben mit Hilfe der neuen IHO-Desinfektionsmitteliste die Möglichkeit zu überprüfen, welche europäische Normen den ausgelobten Wirksamkeiten der Produkte zu Grunde liegen. Eine Übersicht, welche Normen zum Nachweis einer Wirksamkeit anzuwenden sind, finden Sie in der europäischen Norm EN 14885.

 

Transparenz und Qualität – die Aussagekraft von standardisierten Wirksamkeitsprüfungen

Der IHO-Desinfektionsmittelliste liegen die Werte aus den Zulassungsdossiers der Produkte zugrunde. Für die Richtigkeit der Einträge sind die Hersteller selbst verantwortlich. Ein zweistufiges Qualitätssicherungsverfahren ist implementiert.

  1. Stufe: Jährliche Überprüfung durch die Hersteller zur Aktualität und Marktfähigkeit aller Produkte.
  2. Stufe: Überprüfung durch IHO-Experten und Konsolidierung durch unabhängige Gutachter aus dem Institut Hohenstein.

Hohenstein bietet normative Prüfungen zur Absicherung von Produktauslobungen für die Flächendesinfektion, Instrumentendesinfektion und Textiliendesinfektion nach:

  • DIN EN 13727 Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika
  • DIN EN 13624 Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika
  • DIN EN 14348 Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika
  • DIN EN 13697 Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika
  • DIN EN 16615 Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika
  • DIN EN 14561 Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika
  • DIN EN 14562 Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika
  • DIN EN 14563 Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika
  • DIN EN 16616 Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika
  • Prüfung der viruziden Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln bei der chemothermischen Wäschedesinfektion (praxisnaher Versuch)

Detailliertere Informationen finden Sie auf der Webseite von Hohenstein.

 

Literatur

  1. Verordnung (EU) Nr. 528/2012, https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:167:0001:0123:DE:PDF
  2. Verordnung (EU) 2017/745, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R0745&from=DE
  3. EN 14885:2018
  4. Zur Äquivalenz der Desinfektionsmittel-Testung gemäß VAH-Methoden und der Testung gemäß den aktuellen europäischen Normen, Hyg Med 2016; 41 – 3
  5. Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und –verfahren, veröffentlicht im Bundesgesundheitsblatt 60/2017:1274–1297, www.rki.de

 

WICHTIGE NACHBEMERKUNGEN

Das Urheberrecht an der Desinfektionsmittelliste liegt ausschließlich beim IHO. Bei Vervielfältigung bzw. Verbreitung der Liste oder Übernahme von Inhalten auf fremde Websites dürften die entsprechenden Daten nicht verändert, verfälscht oder anderweitig manipuliert werden. Es ist stets auf die IHO- Desinfektionsmittelliste als Quelle der Informationen zu verlinken.

Die in der Präambel formulierten Beispiele dienen der Illustration von Sachverhalten, die in diesem Zusammenhang ausgewählten Länder sind rein zufällig gewählt.

 

Glossar

DGHM – Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie

ÖGHMP - Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin

RKI – Robert Koch Institut

VAH - Verbund für Angewandte Hygiene e.V.

AFNOR - Association française de normalisation

DVG - Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft

DVV - Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V.